Donnerstag, 22. April 2010

Destruction 2.0

Ein Spiel ist ein Spiel ist ein Spiel.



Vor kurzem hab ich mich noch beschwert, dass viele moderne Spiele sucken, weil sie keine Spiele mehr sind, sondern Filme (schlecht imitieren) und darüber den eigentlichen Spaß vernachlässigen. Jetzt kann ich schon wieder die Fresse halten, denn jetzt hab ich Just Cause 2 für mich entdeckt.

Die Story schwankt ständig zwischen hochnotpeinlich und bemüht selbstironisch, ist aber vor allem lausig inszeniert. Das wäre schlimm, wenn's denn irgendeine Rolle spielen würde. Tatsache ist aber, dass es mir furzegal ist und ich auch auf sämtliche inhaltlichen Elemente hätte verzichten können. Denn wenn ich mich aus einem fahrenden Auto werfen kann, das daraufhin in eine Tankstelle donnert und selbige mit dermaßen viel Schmackes hochgeht, dann bin ich schon glücklich. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was an Just Cause 2 so viel Spaß macht. Wassertanks zerbersten als wären sie mit Nitroglyzerin gefüllt, jede Festung und jeder Stützpunkt hat zahlreiche meterhohe Gastanks, die bei Beschuss hochgehen wie von einer Atomexplosion getroffen und wer einmal eine stationäre Minigun abmontiert und damit alles um sich herum zerlegt hat, der will das Ding nicht mehr hergeben.

Das alles in Verbindung mit dem grandios umgesetzten Enterhaken und dem damit verbundenen Fallschirm ergibt eine Zerstörungsorgie, die Gott persönlich an einem schlechten Tag nicht besser darbieten könnte.





Es gibt Macken, klar. (Zivil-)Fahrzeuge fahren sich allesamt ziemlich scheiße und die Steuerung hat einen ekelhaft großen Lag, an den man sich auch nach Stunden nicht so richtig gewöhnt. Muni ist je nach Waffe oft knapp, Kampfhubschrauber sind durch Flugabwehrsysteme extrem nutzlos und letztlich besteht das gesamte Spiel (bislang) auch wirklich aus nichts anderem als dem Zerstören von Stellungen/Festungen/Flughäfen/Ortschaften. Aber, und das ist ein großes ABER: nach knapp 15 Stunden Spielzeit hat es nichts an Reiz verloren einen Gegner per Enterhaken mit einer Gasflasche zu verbinden und selbige hochzujagen. Wenn etwas einmal lustig ist, ist es immer lustig.

Just Cause 2 ist eines dieser Spiele, bei denen man sich dabei ertappt gerade zwei Stunden damit verballert zu haben Blödsinn anzustellen, nur dass man hier auch noch Punkte für diesen Blödsinn kassiert und neue Missionen freischaltet. Und jetzt mal ehrlich. Kann ein Spiel schlecht sein, bei dem selbst die zu durchfahrenden Ringe in Renn-Challenges aus Flammen bestehen, die beim Durchfahren krachend explodieren (wtf?)? Nein, kann es nicht.

Dienstag, 13. April 2010

Push button for poetry

Es gab eine Zeit, in der waren Videospiele unschuldig. Klischees durften noch Klischees sein, ohne dass sich Spieler darüber lustig machten, Levels durften "Downtown" heißen, obwohl die optische Ähnlichkeit mit einem echten Stadtbezirk eher abstrakt war und es gab Spiele mit einem Extra-Kopf für Poesie.





Klischees und schlechte Stories gibt's auch heute noch, nur sind die Ansprüche an ein Spiel immens gestiegen. Niemand hat von einem Doom ernsthaft inhaltliche Relevanz erwartet und der Duke durfte Schweine in Polizeiuniform niedermähen, ohne dass jemand die political correctness infrage gestellt hätte. Ein Level in Carmageddon 2 war letztlich nur eine Ansammlung von Gebäuden auf einer überschaubaren Fläche und das darin enthaltene Einkaufszentrum war eigentlich nur ein weiteres Gebäude mit mehr Glasflächen und Passanten. Aber das war okay, schließlich wusste man um die Grenzen des technisch machbaren und eigentlich war's auch furzegal, solange es einen Mordspaß machte, mit seinem PS-strotzenden Vehikel volle Möhre in dieses Einkauszentrum zu rasen und optisch absurd dargebracht kreischende Fußgänger in den Tod zu reißen. Fürchteten die Eltern damals noch um den Untergang des Abendlandes, mag man sich deren Reaktionen heute gar nicht vorstellen, wenn man ihnen die Lancer-Gun aus Gears mal im Detail präsentiert.

Aber es gibt und gab Ausnahmen. Ein Shadow of the Colossus dürfte gar des Anspruches zuviel sein und würde vermutlich vom Durchschnittsbürger gar nicht umrissen werden. Ein Spiel, gleichbedeutend mit dem Kunstkino, das vom Otto-Normal-Verbraucher bestenfalls zur Kenntnis genommen wird.

Und auch mein wohl prominentestes Lieblingsspiel aller Lieblingsspiele Interstate '76 offenbart auf den zweiten Blick inhaltliche Tiefen, die es zu weit mehr machen als einem Spiel, in dem man mit bewaffneten Muscle-Cars durch Wüstenlandschaften heizt, um böse Jungs in deren Karren in die Luft zu jagen. Es ist ein Spiel, das nicht nur stilistisch einen einzigartigen Weg geht und ganz bewusst auf allzu detaillierte Grafiken verzichtet, sondern eines, dem man noch anmerkt, dass hier Menschen am Werk waren, die nicht einzig und allein Absatzzahlen im Kopf hatten. Es war ein Spiel, in dem es auf der Tastatur wirklich und wahrhaftig eine für Poesie reservierte Taste gab. Wurde die gedrückt, fragte Hauptdarsteller Groove Champion seinen Kumpel Taurus im anderen Wagen nach einem Gedicht, das dieser sogleich darbrachte. Einerseits ein atmosphärischer Glanzpunkt, wenn man in seinem Ami-Schlitten eine einsame Wüstenstraße entlang cruiste, andererseits ein heutzutage undenkbarer Inhalt. Satte 15 Gedichte konnten auf diese Weise abgerufen werden und auch wenn die Action im Spiel sehr schnell wieder dominierte, es war ein Bestandteil der Genialität des Titels. Das Optionsmenü in Form einer Speisekarte, der funky Soundtrack und die einzigartig präsentierten Zwischensequenzen waren die vorrangigen Merkmale, doch wer den Poetry-Knopf einmal gedrückt hatte, für den war Interstate '76 ab diesem Zeitpunkt mehr als tolle Designkunst.

Ein Modern Warfare 2 würde von spontanen Dichtkunst-Exkursionen schwerlich profitieren und das ist auch gar nicht nötig. Schließlich erwarte ich ja beim Schauen von Transporter 2 oder Welcome to the Jungle auch keine stilbrechenden inhaltlichen Quantensprünge. Aber es fällt auf, dass die große Mehrzahl der erfolgreichen Spiele der letzten Jahre die gesicherten Blockbuster-Bahnen auch auf keinen Fall verlassen möchte. Und obgleich ein Uncharted 2 durchaus peppige Dialoge zu bieten hat, es bleibt Popcorn-Unterhaltung ohne viel Tiefgang oder ein eigenes Gesicht. Vieles ist austauschbar und das meiste hat man irgendwo anders schon mal gesehen. Daran ist nichts falsch und ich liebe Popcorn-Unterhaltung, aber dann und wann bin ich für geistig anregende Unterhaltung ehrlich dankbar und hier hat das Medium Videospiele gegenüber den Konkurrenten Literatur und Film noch unfassbare Mengen an Boden gut zu machen.


Interstate '76 erschien erstmals 1998 ist mittlerweile auf der Website gog.com zum Download erhältlich und mit viel Mühe und Gefrickel auch auf einem Windows 7-Rechner zum laufen zu bekommen. Lead Designer Zachary Norman schraubt mittlerweile an Motorrädern herum, Game Director Sean Vesce ist General Manager von Crystal Dynamics. Die Filmrechte wurden 1998 von 20th Century Fox gekauft, aber niemals umgesetzt. Sprecher des Bösewichts Antonio Malochio war John DeLancie, besser bekannt als Q aus Star Trek TNG. Er hält sich mit Nebenrollen in TV-Serien über Wasser.

Die wohl umfangreichste Website zum Thema Interstate '76 ist definitiv Localditch.
Sämtliche Gedichte (auch in hörbarer Form) gibt's hier.

Ich habe Interstate '76 geschätzte 15 Mal durchgespielt und krame es in schöner Regelmäßigkeit heraus, um es ein weiteres Mal durchzuspielen. Dann drücke ich auch schon mal gerne C:

It's a high pitched sound
Hot rubber eternally pressing against a blackened pavement
A wheel is forever
A car is infinity times four

Dienstag, 6. April 2010

Die erschütternde Wahrheit über Videospiele

Videospiele scheffeln mehr Geld als Filme, sind aber gesellschaftlich bei weitem nicht so respektiert. Das Schlimme ist: aus gutem Grund.

Zu Vorbereitung auf diesen Blog-Eintrag empfiehlt sich der Konsum eines Reviews zu Star Wars: Episode I auf Youtube. Dummerweise ist das Review schlappe 70 Minuten lang und trotz der grandiosen Qualität und unzähligen Lachern, nicht für jeden ein Spaß. Wer darauf keinen Bock hat, dem sei zumindest die Quintessenz dieses Reviews verraten.



Star Wars Episode I (und II) ist nicht etwa scheiße, weil's Popcorn-Kino ohne Anspruch ist oder den Realismus außer acht lässt, sondern weil die entscheidenden Basics fehlen: Charaktere, für die man sich interessiert, eine Story, die mitreißt und ein klarer Fokus auf eben diese Geschichte. Am Ende des Films muss der Zuschauer vier verschiedenen Plots folgen, von denen keiner auch nur die Bohne interessiert. Hinzu kommen Logiklöcher, durch die ein Sternenzerstörer fliegen könnte, aber das ist eher Nebensache.

Wichtig ist, dass die alten Star Wars-Filme Charme, interessante Charaktere und eine spannende Story hatten, bei der man mitfieberte. Episode I fehlten diese Zutaten und das Ergebnis war erschreckend steril, uninteressant und pointless, trotz jeder Menge Eye-Candy. Eine Beschreibung, die genausogut auf TransFormers 2 passt, aber eben leider auch auf unfassbar viele Videospiele.

Wir sind weit gekommen vom Space Marine aus Doom, der einfach alles niedermäht, keine Frage. Selbst ein eher grobschlächtiger Titel wie Gears of War ist inhaltlich verhältnismäßig fein ausgearbeitet und auch nicht eindimensionaler als die Geschichte von Predator, aber im Kino laufen eben nicht nur Filme wie Predator. Star Wars ist Popcorn-Kino und die immer noch riesige Begeisterung für die alten Filme ist zum Teil sicher auch Verblendung, aber man muss den drei Filmen attestieren, dass sie gut ausgearbeitete Charaktere besitzen (gemessen am Genre und Anspruch der Filme, versteht sich). Und während Tomb Raider: Underworld beispielsweise durchaus cineastische Ansätze hat und spielerisch gelungen ist, ein Film mit exakt dieser Handlung, würde selbst vom durchschnittlichen TransFormers-Zuschauer als ziemlicher Rotz entlarvt. Platte Charaktere, Logiklöcher, hanebüchene Story-Twists und dämliche Dialoge fallen einem nun mal deutlicher auf, wenn man zwischendurch nicht noch ein paar Stunden durch die Gegend hopst.

Es gibt Ausnahmen, wie das großartige Shadow of the Colossus, das durch Minimalismus und den Verzicht auf klassische Erzählstrukturen eine einzigartige Atmosphäre erschafft. Die Zutaten sind extrem überschaubar (Ein Junge und sein Pferd wollen die tote Freundin retten und schlachten dafür Giganten in einer öden Welt ab), aber gerade dieser Minimalismus sorgt beim Spieler für Gehirnaktivität und moarlisches Hinterfragen der eigenen Handlung. Obwohl im gesamten Spiel so gut wie keine einzige Dialogzeile gesprochen wird, ist das Ende emotional mitreißender als erwartet.

Eine ähnliche Technik nutzten die Entwickler von BioShock, dass mit handelsüblichen Cutscenes sicherlich weniger fasziniert hätte. Es spricht für sich, dass die stärksten Momente des Spiels die sind, in denen man Tonbändern oder Funksprüchen lauscht, direkte Interaktionen mit anderen Charakteren oder gar der Endkampf fallen demgegenüber ab. Auch ein Half-Life 2 bietet keine klassischen Zwischensequenzen, sondern zeigt alles aus der Sicht des Hauptdarstellers und sorgt vor allem durch glaubwürdige Charaktere für ein leichtes Eintauchen in die Spielwelt.

Spiele wie Metal Gear Solid, God of War oder Legacy of Kain setzen auf handelsübliche Cutscenes und schaffen es ebenfalls durch starke Charaktere Begeisterung und Anteilnahme beim Spieler zu wecken, allerdings ist die Grenze zum Spiel klar gesteckt und letzlich werden hier zwischen Gameplay-Szenen Filme abgespult und bei weitem nicht alle Spiele erreichen deren Qualität (Mirror's Edge, Killzone 2, John Woo's Stranglehold seien als Beispiel genannt). Gleiches gilt pikanterweise für Star Wars: The Force Unleashed, das letzlich wie eine Revue-Nummer der alten Trilogie daherkommt. Die Autoren mögen die alten Filme, das ist klar, nur braucht es mehr als holprig inszenierte Imitationen der denkwürdigsten Szenen der Vorlagen und Charaktere aus dem Uncanny Valley.

Prince of Persia: The Sands of Time und Uncharted bemühen sich darum, die Grenzen zwischen Gameplay und Cutscene aufzubrechen, indem sie Dialoge auch ins laufende Gameplay einstreuen. Dadurch wirken Übergänge zu Zwischensequenzen nicht ganz so drastisch und das Erlebte fühlt sich harmonischer an als die sonst übliche Trennung. Das funktioniert gut, hat aber weniger mit technischen Lösungen zu tun als erneut mit gut ausgearbeiteten Charakteren und knackigen Dialogen. Wie wichtig diese Zutaten sind, müssen auch Filmemacher schmerzvoll erkennen. Während Indiana Jones I bis III hervorragend funktionieren, fühlt sich Indy IV wie eine rohe Schnittfassung an, die anschließend besser eingestampft worden wäre. Auch Die Mumie bietet temporeiche Unterhaltung und klasse Dialoge, während Teil II zu viel von allem bieten will und sich in zu vielen Details verrennt.

Ein gänzlich anderer Ansatz ist Fahrenheit oder das akutelle Heavy Rain, das die Grenzen zwischen Film und Spiel noch weiter aufbrechen möchte, dabei aber auch über neue Probleme stolpert. Die Charaktere und deren Motivation werden dem Spieler bewusst nicht mitgeteilt, was die Spielerfahrung unter Umständen zu einem recht willkürlichen Erlebnis macht. Umso tragischer, wenn sich ein Spiel ganz auf diese Aspekte konzentriert.

Fazit: George Lucas ist ein Idiot und zu wenige Entwickler haben gute Autoren.