Dienstag, 6. April 2010

Die erschütternde Wahrheit über Videospiele

Videospiele scheffeln mehr Geld als Filme, sind aber gesellschaftlich bei weitem nicht so respektiert. Das Schlimme ist: aus gutem Grund.

Zu Vorbereitung auf diesen Blog-Eintrag empfiehlt sich der Konsum eines Reviews zu Star Wars: Episode I auf Youtube. Dummerweise ist das Review schlappe 70 Minuten lang und trotz der grandiosen Qualität und unzähligen Lachern, nicht für jeden ein Spaß. Wer darauf keinen Bock hat, dem sei zumindest die Quintessenz dieses Reviews verraten.



Star Wars Episode I (und II) ist nicht etwa scheiße, weil's Popcorn-Kino ohne Anspruch ist oder den Realismus außer acht lässt, sondern weil die entscheidenden Basics fehlen: Charaktere, für die man sich interessiert, eine Story, die mitreißt und ein klarer Fokus auf eben diese Geschichte. Am Ende des Films muss der Zuschauer vier verschiedenen Plots folgen, von denen keiner auch nur die Bohne interessiert. Hinzu kommen Logiklöcher, durch die ein Sternenzerstörer fliegen könnte, aber das ist eher Nebensache.

Wichtig ist, dass die alten Star Wars-Filme Charme, interessante Charaktere und eine spannende Story hatten, bei der man mitfieberte. Episode I fehlten diese Zutaten und das Ergebnis war erschreckend steril, uninteressant und pointless, trotz jeder Menge Eye-Candy. Eine Beschreibung, die genausogut auf TransFormers 2 passt, aber eben leider auch auf unfassbar viele Videospiele.

Wir sind weit gekommen vom Space Marine aus Doom, der einfach alles niedermäht, keine Frage. Selbst ein eher grobschlächtiger Titel wie Gears of War ist inhaltlich verhältnismäßig fein ausgearbeitet und auch nicht eindimensionaler als die Geschichte von Predator, aber im Kino laufen eben nicht nur Filme wie Predator. Star Wars ist Popcorn-Kino und die immer noch riesige Begeisterung für die alten Filme ist zum Teil sicher auch Verblendung, aber man muss den drei Filmen attestieren, dass sie gut ausgearbeitete Charaktere besitzen (gemessen am Genre und Anspruch der Filme, versteht sich). Und während Tomb Raider: Underworld beispielsweise durchaus cineastische Ansätze hat und spielerisch gelungen ist, ein Film mit exakt dieser Handlung, würde selbst vom durchschnittlichen TransFormers-Zuschauer als ziemlicher Rotz entlarvt. Platte Charaktere, Logiklöcher, hanebüchene Story-Twists und dämliche Dialoge fallen einem nun mal deutlicher auf, wenn man zwischendurch nicht noch ein paar Stunden durch die Gegend hopst.

Es gibt Ausnahmen, wie das großartige Shadow of the Colossus, das durch Minimalismus und den Verzicht auf klassische Erzählstrukturen eine einzigartige Atmosphäre erschafft. Die Zutaten sind extrem überschaubar (Ein Junge und sein Pferd wollen die tote Freundin retten und schlachten dafür Giganten in einer öden Welt ab), aber gerade dieser Minimalismus sorgt beim Spieler für Gehirnaktivität und moarlisches Hinterfragen der eigenen Handlung. Obwohl im gesamten Spiel so gut wie keine einzige Dialogzeile gesprochen wird, ist das Ende emotional mitreißender als erwartet.

Eine ähnliche Technik nutzten die Entwickler von BioShock, dass mit handelsüblichen Cutscenes sicherlich weniger fasziniert hätte. Es spricht für sich, dass die stärksten Momente des Spiels die sind, in denen man Tonbändern oder Funksprüchen lauscht, direkte Interaktionen mit anderen Charakteren oder gar der Endkampf fallen demgegenüber ab. Auch ein Half-Life 2 bietet keine klassischen Zwischensequenzen, sondern zeigt alles aus der Sicht des Hauptdarstellers und sorgt vor allem durch glaubwürdige Charaktere für ein leichtes Eintauchen in die Spielwelt.

Spiele wie Metal Gear Solid, God of War oder Legacy of Kain setzen auf handelsübliche Cutscenes und schaffen es ebenfalls durch starke Charaktere Begeisterung und Anteilnahme beim Spieler zu wecken, allerdings ist die Grenze zum Spiel klar gesteckt und letzlich werden hier zwischen Gameplay-Szenen Filme abgespult und bei weitem nicht alle Spiele erreichen deren Qualität (Mirror's Edge, Killzone 2, John Woo's Stranglehold seien als Beispiel genannt). Gleiches gilt pikanterweise für Star Wars: The Force Unleashed, das letzlich wie eine Revue-Nummer der alten Trilogie daherkommt. Die Autoren mögen die alten Filme, das ist klar, nur braucht es mehr als holprig inszenierte Imitationen der denkwürdigsten Szenen der Vorlagen und Charaktere aus dem Uncanny Valley.

Prince of Persia: The Sands of Time und Uncharted bemühen sich darum, die Grenzen zwischen Gameplay und Cutscene aufzubrechen, indem sie Dialoge auch ins laufende Gameplay einstreuen. Dadurch wirken Übergänge zu Zwischensequenzen nicht ganz so drastisch und das Erlebte fühlt sich harmonischer an als die sonst übliche Trennung. Das funktioniert gut, hat aber weniger mit technischen Lösungen zu tun als erneut mit gut ausgearbeiteten Charakteren und knackigen Dialogen. Wie wichtig diese Zutaten sind, müssen auch Filmemacher schmerzvoll erkennen. Während Indiana Jones I bis III hervorragend funktionieren, fühlt sich Indy IV wie eine rohe Schnittfassung an, die anschließend besser eingestampft worden wäre. Auch Die Mumie bietet temporeiche Unterhaltung und klasse Dialoge, während Teil II zu viel von allem bieten will und sich in zu vielen Details verrennt.

Ein gänzlich anderer Ansatz ist Fahrenheit oder das akutelle Heavy Rain, das die Grenzen zwischen Film und Spiel noch weiter aufbrechen möchte, dabei aber auch über neue Probleme stolpert. Die Charaktere und deren Motivation werden dem Spieler bewusst nicht mitgeteilt, was die Spielerfahrung unter Umständen zu einem recht willkürlichen Erlebnis macht. Umso tragischer, wenn sich ein Spiel ganz auf diese Aspekte konzentriert.

Fazit: George Lucas ist ein Idiot und zu wenige Entwickler haben gute Autoren.

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